Der Jugendstil war im ausgehenden 19. Jahrhundert die schwungvolle und filigrane Antwort auf den prunken Historismus der Vorjahre. Er stand für Leichtigkeit, ohne kitschig zu wirken. Ein ungetrübter Optimismus sollte ausgedrückt werden, der durch eine Naturverbundenheit gekennzeichnet war. In der Architektur und in der Malerei offenbarte sich die Stilrichtung besonders deutlich. Seine Ursprünge lagen in Großbritannien sowie in Frankreich. Von dort verbreitete er sich schnell nach Belgien, Deutschland und den Niederlanden.

Eine frische Brise in der Malerei
Der Jugendstil gab Ende des 19. Jahrhunderts der Malerei eine neue Frische. Die Künstler setzten in der Jugendstil-Malerei auf geschwungene Linien und zarte Ornamente, welche stets naturverbunden gewesen sind. Sie grenzten sich deutlich von den strengen und geradlinigen Diktaten des Historismus ab. Damit erhielt die Kunst neue Impulse, die sich gegen den Prunk der vorherigen Stilrichtungen richteten. Stattdessen sollte die Malerei nun dynamisch und unkonventionell wirken. Gern wurden als Motive für die Kunst Pflanzen und Tiere verwendet, welche die Sehnsucht nach der Natur widerspiegelten.

Jugendstil in Paris

Nicht nur in der Malerei, sondern auch in der Architektur ist der Jugendstil zu finden. Foto „Abbesses Metro Station“ von Steve Cadman unter einer CC BY-SA 2.0 Lizenz auf flickr.com

Sehr berühmt wurde in diesem Zusammenhang der Schwan von Otto Eckmann, der sich zum Leitmotiv dieses Stils entwickelte. Die Bilder von Alfons Mucha sind noch immer beliebte Sammlerobjekte. Die neuen Linien der Maler fanden auch in anderen Lebensbereichen Ausdruck. Daher gründete der berühmte Bildhauer Hermann Obrist 1895 in München die „Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk“, mit denen diese Stilrichtung in den Alltag Einzug halten sollte.

Eindrucksvolle Fassaden und Verschnörkelungen
Der Jugendstil zeigte sich in der Architektur vor allem in den eingesetzten Materialien und in den gewählten Formen. Glas, Eisen und Stahl standen nicht nur für die zunehmende Industrialisierung. Die Materialien boten zudem eine ausgezeichnete Formbarkeit, die eine neue Gestaltungsfreiheit ermöglichte. In der Architektur kamen Ornamente und geschwungene Formen zum Einsatz. Jedes Detail wurde von den ausführenden Künstlern genau überlegt. Die bekanntesten Beispiele für diese Kunst in der Architektur sind viele Metrostationen in Frankreich. Doch auch in anderen europäischen Städten wie in München lässt sich dieser Stil wiederfinden.

Ein Beispiel dafür ist die Villa Bechtolsheim in der Maria-Theresia-Straße in München, dessen Bauentwurf von Martin Dülfer stammt. Als Vorbild für die Jugendstilarchitektur gelten die Häuser auf der Mathildenhöhe bei Darmstadt, dessen Entwürfe unter anderem von Peter Behrens stammen. Die Künstler hatten das Ziel schöne Bauten für die Massen zu kreieren. Doch zunächst entstanden lediglich sehr kostbare Unikate, welche sich nur das moderne Großbürgertum leisten konnte. Bestrebungen die Werke in Serie zugeben schlugen fehl. Sie führten zur Ablehnung dieser Stilrichtung, welche sich bis in die 1950er-Jahre hineinzog. Heute werden Häuser mit Jugendstilelementen wieder gern restauriert und erfahren eine große Nachfrage.

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